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Eine echte Rarität aus der Zeit um 1840

Ein erneuter Zufallsfund von Bernhard Weber, Redakteur der „Josephiner Nachrichten“, in einem Antiquariat ist für das seit 1934 im Schloss Weinzierl beherbergte Francisco-Josephinum von ideellem Wert.

Diesmal handelt es sich um eine rund 180 Jahre alte, handkolorierte Lithografie des Schlosses im Tal der Kleinen Erlauf bei Wieselburg, die bisher selbst absoluten Experten auf dem Gebiet alter Drucke und Ansichten von Niederösterreich bisher noch nie untergekommen ist.

Aufgestöbert hat Weber das Bild an einem heißen Sommertag Mitte Juli in Linz. In einer Kiste vor einem Antiquariat in der Linzer Innenstadt wurden alte Stiche abverkauft, um 15 Euro pro Stück. Darunter fand sich eine altersbedingt geringfügig lädierte, besonders schöne Ansicht von Schloss Weinzierl aus der Biedermeierzeit, in einem abgegriffenen, grünen Passepartout und unter einer Folie verpackt. Leider wurde das Bild einst beim Einrahmen so stark beschnitten, dass sich darauf kein Hinweis auf den Künstler findet.

Weber kontaktierte daraufhin auf Anraten des Verkäufers das in Sachen Lithografien besonders versierte Antiquariat Nebehay in der Seilerstätte in Wien. Dort suchen Sammler immer wieder Auskunft über alte Bilder, Aquarelle, sonstige Druckwerke, aufgetaucht meist nach Dachbodenfunden oder Übernahme von Erbschaften. In dicken Büchern oder mittlerweile auch in Online-Archive sind sämtliche bekannte Lithos aus Museen oder auch privaten Sammlerkreisen aufgelistet, die ihren jeweiligen Künstlern zugeordnet werden können. Die in Linz aufgetauchte Ansicht fand sich nicht darunter. Bekannt ist rund ein Dutzend Bilder und Stiche von Schloss Weinzierl.

Vermutlich von Ludwig Seitle

Dafür erhielt Weber den Kontakt zu einem weiteren Experten, Dr. Ralph Andraschek-Holzer, Leiter der Topografischen Sammlung im NÖ Landesarchiv und der NÖ Landesbibliothek in St. Pölten. Der ausgewiesene Experte bescheinigte alsbald, dass es sich offenbar um einen seltenen Zufallsfund handelt: „Bei dem Blatt könnte es sich um eine Lithografie von Ludwig Seitle handeln. Dieser hat um 1840 eine Reihe ähnlich komponierter und vergleichbar großer Ansichten von Orten in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark geschaffen.“

Seitle war Landschaftsmaler und Lithograf. Geboren 1812 in Wien als Sohn eines ehemaligen Offiziers, studierte er ab 1828 an der Wiener, später an der Münchner Akademie. 1837 und 1838 arbeitete er für die lithografische Anstalt von Josef Hafner in Linz an einer Ansichtenserie, die er in Ober-, Unterösterreich (= Niederösterreich) und im Mühlkreis aufnahm und selbst lithografierte. Für diese bildete er auch Ansichten von Nussdorf bei Wien und Zwettl ab. Aus späteren Jahren datierte er eine Folge von Lithografien nach eigenen Zeichnungen, die Orte des Waldviertels und des Mostviertels wiedergeben und keine Verlagsadresse tragen. Das Sterbejahr von Ludwig Seitle ist unbekannt.

Wie viele Lithos mit dieser Ansicht – vom Wieselburger Kirchenberg über das dicht bewachsene Tal der Kleinen Erlauf gegen Westen Richtung Weinzierl – damals üblicherweise angefertigt wurden, lässt sich heute kaum noch sagen. Andraschek-Holzer: „Wie umfangreich Seitles Ansichtenfolge aus den Jahren um 1840 war, ist der Literatur nicht bekannt. Wir sind hier leider auf Vermutungen angewiesen.“

Im Sommer vom Kaiser bewohnt

Das Schloss war damals jedenfalls im persönlichen Besitz von Habsburger-Kaiser Franz II/I und des Herrscherhauses. Der Kaiser selbst bewohnte es im frühen 18 Jahrhundert laut Überlieferung mehrmals in den Sommermonaten, neben Aufenthalten im Schloss Persenbeug oder im Schloss Luberegg, auch gemeinsam mit seinem Enkelsohn Joseph Karl Franz, dem Herzog von Reichstadt, Sohn von Kaiser Napoleon I. Das in biedermeierlicher Kleidung neben einem Bildstock stehende Paar und eine Bäuerin am Hohlweg ins Tal sowie die damals abgestuften Turmspitzen des Schlosses erleichtern die zeitliche Zuordnung über das Alter der Lithographie.

Der (Liebhaber-)Wert der Grafik ist laut Andraschek indes schwer zu beziffern. Für die Landesbibliothek St. Pölten (mit aktuell einem Bestand von etwa 80 verschiedenen Bildern und Lithographien von Seitle) hat er zuletzt „einen echten, gut erhaltenen Seitle“ um 600 Euro erworben.

Vor vier Jahren historische „Josephiner-Mitteilungen“ entdeckt

Für Bernhard Weber ist der Fund dieser absoluten Rarität jedenfalls erneut eine besondere Entdeckung. Vor vier Jahren spürte er ebenfalls in einem Antiquariat, damals in Krems, aus dem Nachlass des einstigen Josephiner-Chronisten Josef W. Teufel, fein säuberlich verschnürt, alle „Josephiner Mitteilungen“ ab 1907 bis 1945 (Vorläufer der Josephiner Nachrichten ab 1972) auf. Diese hatten nach Teufels Tod 1972 beinahe fünf Jahrzehnte in diversen Regalen überdauert und waren um 25 Euro feilgeboten worden.

„Ohne diesen Fund mit detaillierten Berichten über die Geschehnisse am FJ noch am Schulstandort in Mödling oder verschiedensten Angaben zu den Absolventinnen und Absolventen der damaligen Zeit wäre viel Josephinum- und Josephiner-Geschichte wohl für immer verloren gegangen. Für das zum 150 Jahr Jubiläum des Francisco Josephinums von mir 2019 verfasste Buch ‚Die Josephiner‘ war diese Sammlung in vielen Belangen eine unglaublich wertvolle Quelle“.

Dass nun auch noch eine heutzutage längst niemandem mehr geläufige Ansicht von Schloss Weinzierl aufgetaucht ist, ist für Weber jedenfalls ein Ansporn, „weiterhin in Sachen Josephiner und Josephinum bewusst die Augen aufzuhalten.“

Lithografie Schloss Weinzierl
Historische Lithografie mit Blick vom Wieselburger Kirchenberg über das dicht bewachsene Tal der Kleinen Erlauf gegen Westen Richtung Weinzierl